Helden wie wir

Die „Jungen Helden“ klären über Organspende auf und haben viele prominente Helfer. „Entscheidend ist die Entscheidung“ lautet das Credo des Vereins, der Menschen mitten im Leben für die Beschäftigung mit dem Tod gewinnt.

Es gibt Themen, die man normalerweise nicht in einem Atemzug nennt: Clubpartys und Organspende zum Beispiel. Für die Jungen Helden gilt das nicht. Sie gehen dorthin, wo man die Jugend trifft, in Clubs, an Schulen, bei Sportveranstaltungen. So platzieren sie das Thema Organspende mitten im Leben.

Die Feiern sind legendär – und prominent besetzt: Da stehen schon mal Jürgen Vogel und Joko Winterscheidt am Einlass und drücken den Gästen Flyer und Organspendeausweise in die Hand. Moderatorin Johanna Klum und Schauspieler Florian Lukas mixen hinter der Bar die Getränke, am DJ-Pult stehen die Beatsteaks – allesamt überzeugte Unterstützer, viele seit der ersten Stunde. „Beim Club voller Helden geht es darum, gemeinsam eine gute Zeit zu haben und das Thema Organspende mitzunehmen“, erklärt Angela Ipach, die den Verein leitet, der 2003 von ihrer Schwester Claudia Kotter initiiert wurde.

Prominente Unterstützer: Moderator Klaas Heufer-Umlauf und Schauspieler Jürgen Vogel (Foto)

Prominente Unterstützer: Moderator Klaas Heufer-Umlauf und Schauspieler Jürgen Vogel (r.)

Der Verein will junge Leute ohne erhobenen Zeigefinger informieren

Junge Heldin – zu Claudia Kotter passt das. Sie litt an der seltenen Autoimmunkrankheit Sklerodermie, bei der sich Organe und Bindegewebe verhärten. Gerade mal 20 ist sie, da greift die Krankheit ihre Lunge an. Eine Transplantation wird dringend nötig. Vier Jahre wartet sie, bis sie endlich ein neues Organ bekommt. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen. Gemeinsam mit ihrer Familie und Freunden baut sie die Jungen Helden auf. So will sie der Debatte über Organspende mit einer ganz eigenen Note Beachtung verschaffen. Ohne jeden Missionierungseifer, dafür mit Spaß, einer ungeheuren Überzeugungskraft und Lebensfreude. „Sie war eine Liebeserklärung an das Leben“, beschreibt Angela Ipach ihre Schwester. Ihr Credo, „Du musst es immer versuchen“, führte zu einem sehr aktiven und intensiven Leben, trotz Krankheit. „Mir ist durch Claudia zum ersten Mal klar geworden, dass Organspenden einen größeren Bezug zum Leben haben als zum Tod“, sagt Moderator Klaas Heufer-Umlauf, der die Jungen Helden seit langem unterstützt. Dennoch sind beide Seiten immer präsent. Das symbolisiert auch das Logo des Vereins: eine Batterie mit Plus- und Minuspol.

Vier Jahre hat Claudia Kotter mit dem Spenderorgan weitergelebt – und mit viel Engagement ihr Anliegen öffentlich gemacht. Zum Schluss war es ihr Herz, das versagte. Im Juni 2011 starb sie, mit 30 Jahren. Jetzt führt ihre Schwester gemeinsam mit einem Team aus sieben Mitstreitern die Arbeit fort. Sie decken die wichtigsten Regionen Deutschlands ab. Dazu kommen rund 40 ehrenamtliche Unterstützer, die zum Beispiel mit Schülern und Lehrern über Organspende diskutieren.

Frau mit grünem Junge Helden Beutel am Infostand der Jungen Helden (Foto)

»Wer sich mit dem Tod auseinandersetzt und sich die Zeit für eine persönliche Entscheidung nimmt, ist ein Held.«

Angela Ipach

Ihnen allen geht es darum, dass junge Menschen eine Haltung zum Thema einnehmen. „Das Wichtigste ist, einen Ausweis zu haben“, so Ipach. Wer sich mit dem Tod auseinandersetze und sich die Zeit für eine persönliche Entscheidung nähme, sei ein Held. „Auch wenn danach ein ,Nein’ auf dem Ausweis angekreuzt wird“, ergänzt sie. Damit nimmt man den Menschen, die einem nahe stehen, eine schwere Entscheidung ab. „Wir machen unsere Aufklärungsarbeit ganz ohne erhobenen Zeigefinger“, betont Moderator Joko Winterscheidt. „Wir sagen: Denk einfach mal darüber nach. Hab eine Meinung.“

Viele wollen helfen, aber zu wenige haben einen Spenderausweis

Wie nötig das ist, belegt die aktuelle Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Zwar stehen vier von fünf Deutschen dem Thema Organspende positiv gegenüber, aber nur ein Drittel hat einen Ausweis. „Die Differenz belegt, dass noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten ist“, sagt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe.

jede spende zählt

10.000

Menschen warten auf eine lebensrettende
Organtransplantation

877

Organspender gab es im Jahr 2015
in Deutschland

81

Prozent der Deutschen wären grundsätzlich
bereit, Organe zu spenden

32

Prozent besitzen einen
Organspendeausweis

Quelle: DSO (Stand: April 2016), Eurotransplant (Stand: März 2016), BZgA (Stand: Juni 2016)

Aufklären soll auch der Film „Entscheidend ist die Entscheidung“. Ende Juni 2015 feierte er im CinemaxX Berlin Premiere – nach zwei Jahren Arbeit. Darin wird kinoreif über Organspende in Deutschland informiert. Joko und Klaas begleiten die Story gemeinsam mit den Schauspielern Fahri Yardim und Jürgen Vogel. Letzteren verband eine jahrelange Freundschaft mit Claudia Kotter. Nachdem die beiden im Berliner Café Einstein ineinander gelaufen sind und sich daraufhin kurz unterhalten hatten, nutzte Claudia Kotter den Anknüpfungspunkt. Sie schickte Vogel einen sehr persönlichen Brief. Er reagierte prompt, wurde Junger Held und später ein guter Freund. Der Schauspieler steht dem Thema Organspende auch persönlich nah: Er hat seiner Schwester mit einer Knochenmarkspende das Leben gerettet.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (Mitte) mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe am Infostand der Jungen Helden (Foto)

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (Mitte) mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe am Infostand der Jungen Helden: Lydia Basu, Geraldine Laprell und Anna Barbara Sum (v.l.)

Seit kurzem gibt es den Aufklärungsfilm auch auf DVD, sodass Schulen und Bildungseinrichtungen ihn im Unterricht nutzen können. SAT.1 zeigte Ausschnitte daraus an einem Thementag „Organspende“, bei dem die Jungen Helden, das Bundesgesundheitsministerium und die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) Kooperationspartner waren. Den Auftakt machte das SAT.1-Drama „Zwei Leben. Eine Hoffnung.“ Hauptdarstellerin Annette Frier freut sich, dass Transplantationen und Spenderbereitschaft durch den Film stärker ins Rampenlicht gerückt werden: „Ich habe mit Freunden und im Bekanntenkreis über Organspende geredet und die Erfahrung gemacht: Es ist ganz viel Nichtinformation da. Es ist gut, dass wir den Film gedreht haben.“ Und der hat ziemlich aufgerüttelt: Fast doppelt so viele Anrufe wie üblich gingen am Ausstrahlungstag bei der DSO und dem „Infotelefon Organspende“ ein. Frier hat sich schon entschlossen: „Organspende ist eine sehr private Entscheidung, die jeder selbst treffen muss. Aber ich sage für mich ganz klar: Ja!“

Vier Personen tauschen sich zum Thema aus (Foto)

Der SAT.1-Film trägt auf bewegende Weise dazu bei, Öffentlichkeit für dieses wichtige Thema zu schaffen.

Hermann Gröhe

Rund 25.000 Organspendeausweise geben die Jungen Helden jährlich aus. Zwei Aktionen machen sie im Schnitt pro Monat, zum Beispiel im Juni am bundesweiten „Tag der Organspende“ auf dem Münchner Marienplatz, den auch SAT.1 unterstützte. Künftig wollen sie sich stärker vernetzen, neue Kooperationen eingehen und häufiger mit Partnern aus der Politik wie der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz oder dem Bayrischen Bündnis für Organspende auftreten. Über 10.000 Facebook-Fans mögen ihre Arbeit schon jetzt. Nicht zuletzt auch Charlotte Roche, die jüngst auf heldenhafte Mission ging. Sie hat sich die Vorderseite eines Spenderausweises auf den Unterarm tätowieren lassen, zusammen mit dem Helden-Logo. Organspende ist ein Thema, das unter die Haut geht. <

Entscheidend ist die Entscheidung

Angela Ipach leitet gemeinsam mit einem siebenköpfigen Team den Verein Junge Helden, den ihre Schwester Claudia Kotter 2003 gegründet hat. Ziel ist, über Organspende zu informieren und Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen, vor allem bei jungen Menschen. Dabei soll keiner überredet werden: Jeder ist ein Held, der sich mit Organspende auseinandersetzt und sich die Zeit für eine persönliche Entscheidung nimmt. Aufgeklärt wird dort, wo das Leben stattfindet: Der Verein veranstaltet Partys, diskutiert an Schulen und drehte jüngst einen humorvollen Aufklärungsfilm mit Joko & Klaas.

Angela Ipach (oben) führt die Arbeit ihrer Schwester Claudia Kotter fort (Foto)

Angela Ipach (oben) führt die Arbeit ihrer Schwester Claudia Kotter fort. Die Gründerin des Vereins Junge Helden starb 2011.

www.junge-helden.org

Öffentlichkeit schaffen

SAT.1 machte den 8. März 2016 zum Thementag der Organspende — mit den Jungen Helden, dem Gesundheitsministerium und der Deutschen Stiftung Organtransplantation als Partnern.

Zwei Leben. Eine Hoffnung. Berührendes SAT.1-Drama über Organspende mit Annette Frier u.v.a. (Foto)

Im preisgekrönten SAT.1-Drama „Zwei Leben. Eine Hoffnung.“ kämpft Annette Frier als Transplantationschirurgin um das Leben von zwei jungen Patienten, die auf eine Spenderniere warten. Als es bei einer OP zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommt, stehen schwerwiegende Entscheidungen an. Und am Ende? Heißt es für Einen: wieder warten. So wie für 10.000 kranke Menschen im wahren Leben. Wie dringend Organspenden benötigt werden, vertiefte die Eventdoku „Bei Anruf Herz“. „Oberstes Ziel des Thementags war, dass der Zuschauer erkennt, dass er zum Thema Organspende eine Haltung finden muss“, sagt SAT.1-Geschäftsführer Kaspar Pflüger. Mission erfüllt: Am Ausstrahlungstag gingen 96 Prozent mehr Anrufe bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation und dem „Infotelefon Organspende“ ein als am gleichen Tag der Vorwoche, wie Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in einem Dankesbrief hervorhob. Am bundesweiten Tag der Organspende war „Zwei Leben. Eine Hoffnung.“ kostenlos im Kino zu sehen. Und Gröhe setzte sich gemeinsam mit Frier und SAT.1 auf dem Münchner Marienplatz für Organspende ein. Gröhe ist überzeugt: „Der Film trägt auf bewegende Weise dazu bei, Öffentlichkeit für dieses wichtige Thema zu schaffen.“