We Help: »Hilfe ist ein Gemeinschaftswerk«
Mit der Aktion „We Help“ setzt sich ProSiebenSat.1 für Flüchtlinge ein. Annette Kümmel, Senior Vice President Governmental Relations & Regulatory Affairs, über engagierte Mitarbeiter, unkonventionelle Statements und die Koordination der Hilfsmaßnahmen im Konzern.
Im vergangenen Jahr hat ProSiebenSat.1 den Spot „Mundaufmachen“ von Joko & Klaas zum Unternehmensstatement in der Flüchtlingsdebatte gemacht. Da ist von „geistigem Dünnpfiff“ die Rede und von „Ich-bin-zwar-kein-Nazi-aber-Idioten“ – nicht gerade das Wording, das man sonst so aus Konzernen kennt.
Annette Kümmel: Das stimmt, aber gerade deshalb ist das Statement so glaubwürdig. Es stammt von zwei Menschen, denen es ein innerstes Bedürfnis ist, etwas gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in sozialen Netzwerken zu sagen. Der Spot war zuerst auf der Website von Joko & Klaas zu sehen. Wir fanden ihn super und haben ihn deshalb auf allen Sendern gezeigt.
ProSiebenSat.1 ist eher für Entertainment als für Gesellschaftspolitik bekannt. Warum muss ein Medienunternehmen in der Flüchtlingsdebatte überhaupt den „Mundaufmachen“?
Kümmel: Mit unseren TV-Sendern erreichen wir jeden Tag viele Millionen Menschen und haben damit eine soziale Verantwortung. Die Diskussion über Flüchtlinge zählt aktuell zu den wichtigsten gesellschaftspolitischen Themen in Deutschland und es ist richtig, dass wir hier Haltung zeigen. Die meisten Aktionen und Ideen zum Thema Flüchtlingshilfe bei ProSiebenSat.1 kamen und kommen übrigens von unseren Mitarbeitern. ProSiebenSat.1 hat schließlich begonnen, sie aufzugreifen und zu koordinieren.
Was haben die Mitarbeiter auf die Beine gestellt?
Kümmel: Als die Zahl der Flüchtlinge im vergangenen Jahr immer weiter anstieg, haben sich viele bei Spenden-und Sammelaktionen engagagiert. Für die Bayernkaserne zum Beispiel kamen über 100 Kisten mit Kleidern und Hygieneartikeln zusammen, an Weihnachten wurden 500 Geschenktüten an die Flüchtlinge dort übergeben. Wir haben auch Mitarbeiter, die in ihrer Freizeit Nachhilfe, Lauftreffs oder Bastelnachmittage organisieren.
Wie hat das Unternehmen das Engagement gefördert?
Kümmel: Hilfe ist ein Gemeinschaftswerk. ProSiebenSat.1 unterstützt Mitarbeiter bei der Organisation und Umsetzung ihrer Ideen. Im Intranet haben wir einen eigenen Bereich zum Thema Flüchtlingshilfe eingerichtet. In kurzer Zeit gingen hier über 200 Mails mit Hilfsangeboten und Projektvorschlägen ein. Im nächsten Schritt haben wir die Arbeitsgruppe „We Help“ gegründet, um die Vorschläge zu sammeln und zu sichten.
Was genau macht die Arbeitsgruppe?
Kümmel: Wir treffen uns wöchentlich, tauschen uns über anstehende Projekte aus und ziehen Bilanz. Jeder kann Mitglied werden, egal aus welchem Unternehmensbereich. Die Führungsebene ist ebenso vertreten wie Praktikanten. Wir präsentieren die Hilfsprojekte regelmäßig vor der gesamten Belegschaft. Dafür nutzen wir zum Beispiel unsere Lunch & Learn-Veranstaltungen der ProSiebenSat.1 Academy. Wir haben zudem ein Konzept entwickelt, mit dem wir Flüchtlinge über aktuelle Sammelaktionen hinaus nachhaltig unterstützen wollen.
Wie sieht dieses Konzept aus?
Kümmel: Wir hatten die Idee, vor der provisorischen Flüchtlingsunterkunft in der Nähe unseres Firmensitzes in Unterföhring ein Containerhaus mit multimedialer Ausstattung einzurichten, das einen Schulungsraum, ein Internetcafé und einen Gemeinschaftsraum mit integrierter TV-Lounge bietet. Wir mussten allerdings bald feststellen, dass es viele rechtliche und bürokratische Hürden gibt, die privatwirtschaftlich organisierte Flüchtlingshilfe erschweren.
Asylsuchende
1,1
Millionen
Menschen warten auf eine lebensrettende Organtransplantation
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge / EASY (Erstverteilung der Asylbegehrenden)
Wir zusammen
ProSiebenSat.1 ist Teil der „Wir zusammen“ Initiative der deutschen Wirtschaft, die Flüchtlinge bei der Integration in Deutschland unterstützt.
»WIR MUSSTEN FESTSTELLEN, DASS ES VIELE HÜRDEN GIBT, DIE PRIVATWIRTSCHAFTLICH ORGANISIERTE FLÜCHTLINGSHILFE ERSCHWEREN.«
Annette KümmelWoran hakt die Umsetzung?
Kümmel: Die Gemeinde Unterföhring war begeistert von unserer Idee. Auch der Konzern steht hinter dem Konzept und hat ein Budget dafür freigegeben. Allerdings zeigte sich schnell, dass das Sicherheitskonzept des Landratsamtes und europarechtliche Gründe die kurzfristige Umsetzung auf dem Gelände der provisorischen Traglufthalle behindern. Nun wird im Norden von Unterföhring eine feste Asylbewerberunterkunft gebaut, und wir wollen unsere Pläne für einen Kommunikations- und Schulungsraum dort umsetzen.
Es gibt leider immer noch Menschen, die glauben, Asylbewerber brauchen keine multimediale Ausstattung.
Kümmel: Das ist Unsinn. Sie brauchen Anschluss und der funktioniert über Kommunikation – Handy und Internet sind extrem wichtig, oft auch die einzige Verbindung in die Heimat. Und Sprache lernt man auch übers Fernsehen. Der Schulungsraum könnte für Fortbildungs-, Informations- und Freizeitangebote genutzt werden – sowohl von unseren eigenen Mitarbeitern als auch dem sehr aktiven Helferkreis in Unterföhring. Die Finanzierung wird zum Teil von ProSiebenSat.1 und zum Teil durch Spendenaktionen gesichert. Für die Ausstattung könnten wir eigene Beteiligungen wie moebel.de nutzen. Die Mitarbeiter würden die Räume selbst gestalten, zum Beispiel im Rahmen von Social Days. Bei den Social Days helfen Mitarbeiter regelmäßig während der Arbeitszeit in verschiedenen sozialen Einrichtungen mit.
Wie gehen Sie mit Bedenken oder Anfeindungen beim Thema Flüchtlingshilfe um?
Kümmel: Auf Hasskommentare in den sozialen Netzwerken haben Joko & Klaas mit ihrem Statement eine perfekte Antwort gefunden. Es ist wichtig, eine liberale Haltung zu zeigen, aufzuklären und den direkten Kontakt zu fördern. Das hilft enorm, Barrieren abzubauen. <